Eine Frage hat mir besonders zu Denken gegeben: Inwieweit fließen reale Forschungsergebnisse und Entdeckungen in Ihr Projekt ein?
Anfangs dachte ich, dass ich als naturwissenschaftlich interessierter Physiker mein Wissen oft verwende. Immerhin lese ich die Zeitschrift der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, Spektrum der Wissenschaft und Science Blogs. Ich verfolge die neueste Hochenergiephysik, war sogar live (im Stream) bei der Veröffentlichung des Higgs und bei der Landung von Philae dabei.
Bei genauerem Nachdenken ist mir dann aber aufgefallen, dass ich neuesten Erkenntnissen eher skeptisch gegenüberstehe. Damit meine ich nicht, dass ich sie anzweifle. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse sind (fast) immer korrekt. Aber es kommt immer wieder vor, dass sie später anders interpretiert werden können. Und da ich bei Galactic Developments aus der Sicht der Zukunft schreibe, bin ich vorsichtig mit brandneuen Erkenntnissen, die später relativiert werden könnten. Wenn ich Galactic Developments schreibe, dann aus der Sicht des Artikels ja schon ein paar hundert Jahre vergangen und es sind neue neueste Erkenntnisse dazugekommen, die die alten neuesten Erkenntnisse vielleicht in einem anderen Licht erscheinen lassen.
Vorsicht vor Extrapolation:
Die erste Eisenbahn war mit 28 Stundenkilometer wahnsinnig schnell. Der Begriff "schnell" hat sich sicher gewandelt. Heute ist ein Zug mit 100 km/h nicht besonders schnell. Schreibt man also, dass ein Regionalzug im 25. Jahrhundert 500 Stundenkilometer "schnell" ist, dann mag das heute toll klingen. Ist auch vermutlich nicht mal falsch. Aber Thema verfehlt, weil alles ganz anders ist und Räder nicht mehr auf Metall rollen. Vielleicht nicht einmal auf Magneten schweben. Merke: einfaches Extrapolieren geht nicht. Ich versuche deshalb disruptive Änderungen zu erfinden, statt die neuesten Erkenntnisse zu extrapolieren.Vorsicht vor impliziten Annahmen:
Die Legende sagt, dass Galileo Galilei auf den Schiefen Turm von Pisa gestiegen ist, zwei Metallkugeln fallen gelassen hat und so die Fallgesetze erfunden hat: alles fällt gleich schnell und zwar immer schneller mit einer Beschleunigung von 9,81 m/s2.Das war damals die neueste Erkenntnis. Das ist auch immer noch richtig. Aber heute würden wir das nicht so formulieren, denn das stimmt nur auf der Erde und auch da nur auf Meereshöhe. Auf dem Mond sieht das anders aus (nur ein Sechstel davon), in tiefen Bergwerken auf der Erde ist es auch weniger (im Promille Bereich). In einer Erdumlaufbahn fällt man gar nicht auf die Erde.
Newton und Kepler haben die Gesetze der Gravitation und Bewegung verallgemeinert, so dass sie auch auf dem Mond und in tiefen Bergwerken gelten. Das macht die neuesten Erkenntnisse von Galileo nicht falsch, aber rückblickend hat Galileo "nur" einen Spezialfall beschrieben, keinesfalls allgemein gültige physikalische Gesetze.
Und dann kam Einstein und erklärte, dass auch die neuesten Erkenntnisse von Newton und Kepler nur eingeschränkt gelten. Sie stimmen, aber nur solange sich alles langsam bewegt, wenn die Schwerkraft nicht sehr stark ist und man kann sie überhaupt nur auf normale Materie anwenden, aber z.B. nicht auf Licht.
Einstein schrieb neue Formeln auf, die auch dann noch gelten, wenn sich sehr schwere Massen sehr schnell bewegen oder bei Lichtteilchen, die gar nichts wiegen und sogar mit Lichtgeschwindigkeit fliegen. Es stellte sich heraus, dass auch die Formeln von Newton und Kepler Spezialfälle einer allgemeineren Theorie waren. Und die neuesten Erkenntnisse waren plötzlich alt. Nicht falsch, aber nicht allgemein anwendbar.
Also Vorsicht vor den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft. Die sind richtig, können sich aber als Spezialfälle herausstellen und später etwas altbacken wirken. Man bekommt sogar den Eindruck, dass die Aussage von Galileo "alles fällt gleich schnell" ein bisschen falsch ist. Das liegt aber nur daran, dass er es so allgemein formuliert hat und dabei ein paar Annahmen weggelassen hat, nämlich: "1. auf der Erde und 2. auf Meereshöhe, 3. solange sich alles langsam bewegt und 4. es sich um normale Materie handelt". Tatsächlich waren Galileo diese Annahmen nicht bewusst. Sie waren implizit. Sonst hätte er vermutlich gleich eine allgemeinere Theorie formuliert und Newton, Kepler und Einstein arbeitslos gemacht.
Für mich ist deshalb die wichtigste Erkenntnis, dass alles was heute brandneu ist, später überholt sein kann, auch wenn es vorher nicht falsch war. Vorsicht vor impliziten Annahmen.
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