6. Juli 2009

Metaprognose Juni 09

Von Oktober bis Mai befanden sich die Prognosen in einem linear fallenden Korridor. Aber inzwischen zeichnet sich eine Änderung der Charakteristik ab.

Nach einem weiteren Cluster von fortgesetzt pessimistischen Prognosen in April/Mai [B] hellt sich die Meinung der Institute nun etwas auf, so dass die Juni-Prognosen [C] vom linearen Verlauf abweichen und weniger schnell fallen, als noch vor 2 Monaten. Mit anderen Worten: die Prognosen werden weniger schnell schlechter, aber immer noch schlechter.

Szenarien:
- Nach den Juni-Prognosen zeichnet sich eine Stabilisierung ab: -6,5% scheint möglich nach [7]. Dafür ist aber ein sehr scharfer Knick nötig. So ein Knick ist nicht auszuschließen, wenn sich die Forschungsinstitute tatsächlich, wie vorher angedeutet in einem kollektiven Schock befanden und deshalb im Mai etwas überzogen haben. Dann wären die Krümmung nur deshalb so groß, weil die Mai-Prognosen zu steil ausgefallen sind.

- Legt man als maximal mögliche Krümmung den gleichen Absolutwert an, wie beim Absturz zwischen August und November 08, dann kann man einen Verlauf bis -7,5% erwarten [8].

Szenario [8] gilt aber nur falls es im 2. Halbjahr keine bösen Überraschungen gibt. Beruhen die aktuellen Prognosen nur auf den schlechten Zahlen des ersten Halbjahrs oder sind weitere Krisen schon eingerechnet? Als Nachfolgekrisen bieten sich an:

  • Kaufkraftverlust durch auslaufende Kurzarbeit ab Oktober. Wenn erstmal 15% arbeitslos sind, statt 5%, wird wesentlich weniger konsumiert, sicher von den betroffenen 10%, aber alle anderen sind dann auch vorsichtig. Deutsche weigern sich noch, sich persönlich betroffen zu fühlen. Wenn sich das ändert...
  • Inflation ist vielleicht das einzige Mittel mit dem die USA ihre Schulden abtragen können, wenn sie noch weiter wachsen. Im Moment sind die (öffentlichen) Schulden im Rahmen, vergleichbar den deutschen, kleiner als die japanischen und italienischen, aber wenn sie durch Konjunkturprogramme stark wachsen, könnten die USA vielleicht eine stärkere Geldentwertung dulden (oder fördern). Mit nur 10% Inflation kann man den Chinesen 200 Mrd. Dollar pro Jahr abnehmen. Das wäre der größte "Diebstahl" der Geschichte und völlig legal.
  • Deflation droht beim aktuellen Nachfrageeinbruch und kann sich selbst verstärken, wenn Nachfrage zusätzlich zurückgehalten wird, weil niedrigere Preise erwartet werden. Ob Inflation oder Deflation passiert, weiss anscheinend keiner, bzw. jeder weiss was anderes.
  • Währungskrisen und (Beinahe-)bankrotte einzelner Staaten. Kalifornien, als Nation die 8. größte Volkswirtschaft, ist zahlungsunfähig. (Das liegt auch daran, dass US-Staaten keine Schulden machen dürfen, ist also nicht ganz vergleichbar.) Aber wenn es Osteuropa richtig erwischt oder sogar Euro-Länder Irland und Griechenland, dann wird es richtig teuer, denn denen wird trotz No Bailout Klausel geholfen. Bei Euroländern drohen zwar keine Währungskrisen, aber trotzdem Zahlungsunfähigkeit durch hohe Renditeaufschläge.
  • Kreditkartenkrise oder Krisen in anderen Finanzsektoren. Vor der Subprime-Krise kannten nur wenige Subprime-Zertifikate, deren Derivate und Begleitprodukte, z.B. CDS. Vielleicht gibt es ja noch andere riskante Produktgruppen.

[7] könnte das gleiche Wunschdenken ausrücken wie [4] im Februar. Das schlechteste Szenario vom Februar [4] hat sich als viel zu optimistisch herausgestellt. Damals war eine negatives BIP Wachstum von -5% undenkbar. Genauso wie heute -10% undenkbar ist. Wenn eine größere Nachfolgekrise auftaucht, dann werden wir froh sein über nur -10%.

Da auch Dienstleistungen einschließlich staatlicher Aufgaben in das BIP einfließen, bedeutet -10%, dass ca. 25% weniger materielle Güter hergestellt werden. Mit anderen Worten: trotz der größten Krise seit 80 Jahren führen 75% der Käufer ihre Bestellungen durch und schieben Investitionen nicht auf. Man könnte auch erwarten, dass nur halb so viele gewerbliche und private Anschaffungen getätigt werden, wie letztes Jahr. Das wäre dann ein BIP von -20%. Es gibt Berichte, dass der Containerumsatz in Shanghai, dem größten Hafen der Welt, auf 30% eingebrochen ist. Das würde bedeuten, dass die Welt nur ein Drittel so viel (in China) einkauft, wie letztes Jahr. Da scheint 50% nicht so fern und 75% richtig komfortabel. Anders ausgedrückt: BIP -10% kann auch noch "richtig komfortabel" wirken.

Hoffen wir, dass das Juni-Wunschdenken [7] nicht das gleiche Schicksal erleidet, wie das Februar-Wunschdenken [4].

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2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Sehr interessanter Ansatz. Bin gespannt auf das Endergebnis Ende 2009, mein Tip: -5,7%. Die letzten 18 Monate waren allerdings nicht "normal" und mit einer hohen Dynamik verbunden, sodaß sich die Revisionen der Wachstumsprognosen auch in großen Schritten vollzogen. Der Rebound (wie bei einem Ball) könnte nämlich nach durchschritterner Talsohle kurzfristig sehr dynamisch ausfallen, sodaß die letzten Prognosen dann wieder nach oben korrigiert werden müssen. Für 2010 zeichnet sich ja eine Stabilisierung ab und du könntest jetzt schon mal die Zahlenreihe für 2010 auftragen, vielleicht ergibt sich da ein besser vorhersehbares Bild der abgeleiteten Prognosen.

Heiner hat gesagt…

Die Prognosen für 2010 haben sich zwischen Januar und Juni (Prognosedatum) von +1+/-1 auf 0+/-1 leicht abgesenkt. Ein sehr schwacher Trend nach oben seit Juli, hat aber noch zu wenige Datenpunkte.